Warum dieser Titel?
Weil mir in letzter Zeit unheimlich viele Dinge begegnen, die mit Recruiting zu tun haben und die Dringlichkeit dieses Berufs sowie dessen aktuelle Herausforderungen auf allen Kanälen herausschreien. Ja, ich muss es so sagen. Wir alle werden überladen mit Richtlinien, Empfehlungen, Plattformen, To Dos und Ratschlägen, um besser zu rekrutieren. Wir können alles geben und probieren.
Heute schon erfolgreich rekrutiert?
Wir können ausschreiben, monitoren, Active Sourcing betreiben, Social Recruiting beachten, Targeting ausreizen bis in den letzten Zipfel des WWW oder eines jeden Smartphones. In einer Welt, in der die Menschen tagtäglich mit Informationen überflutet werden und Ihnen oft die Konzentration fehlt. Wir können witzige und extrovertierte Employer Branding Kampagnen machen und tolle Preise für unser Regal abstauben. Wir können zielgruppengenau unsere Botschaften aussteuern und das am besten noch mit einem Dienstleister optimieren. Aber nach meinem Empfinden geht es nicht darum alles zu machen und irgendwie überall präsent zu sein. Ich glaube sogar, dass es in vielen Unternehmen noch völlig neu ist, auf Recruiter zu setzen und die Stellensuche besser zu strukturieren – von der Ausschreibung bis zum Bewerbungsprozess. Wir bewegen uns in einer ganz neuen Qualität, in der wir allein vor der Herausforderung stehen, Stellen so zu formulieren, wie sie zur individuellen Zielgruppe einer Ausschreibung passen. Das bedeutet heutzutage auch Austausch auf Augenhöhe mit den einzelnen Fachbereichen, denn ohne diesen ist eine gute inhaltlich starke Ausschreibung gar nicht möglich. Das bedeutet aber in manchen Unternehmen sicher auch einen Blick über den Tellerrand und die Neugestaltung einer vielleicht alten Struktur. Da ruft nicht jeder: yeah! Und auch wenn alle Unternehmen fleißig an den Formulierungen für „Wir bieten“ basteln, stelle ich mir die Frage: wer setzt dies wirklich um? Und sind nicht auch die Benefits nicht wie eine Schablone auf jeden Bewerber zu legen?
Ich erlebe einige Personaler, die wunderbare Ideen umsetzen und ausgeklügelte mehrmonatige Kampagnen fahren, aber dennoch auch mit den schier unendlichen Möglichkeiten konfrontiert werden und es einem manchmal schwer fällt, durch alles durchzusehen. Aber wir müssen gar nicht die Besten sein im Vergleich zu anderen, die durch ihre Präsenz augenscheinlich Größe zeigen, denn auch im Kleinen kann man großartig sein.
Was bedeutet es denn heute überhaupt einen Preis für eine Kampagne zu gewinnen? Ich kann mir Stolz vorstellen. Aber ich hoffe, dass alle, die kreativ sind und in ihren Teams gute Ausschreibungen und Kampagnen starten, auch gute Bewerbungen erhalten und so viele Menschen einstellen können, wie sie es sich gewünscht haben und dass es nicht nur nach außen cool aussieht. Und dann, ja, dann geht es doch weiter, denn die Menschen sollen bleiben. Wie in einer guten Beziehung, an der man stetig arbeitet. Man wächst miteinander.
Fachkräfte Roulette
In dem stark angespannten Markt muss man mittlerweile nicht nur vereinzelt viel Stärke beweisen, um die so genannten Fachkräfte zu finden und zu binden. Hat sich mal jemand gefragt, wer diese Fachkräfte eigentlich sind und was sie ausmachen? Mittlerweile werden diese Gruppen immer größer und noch schwieriger zu erreichen trotz der Unendlichkeit des Internets. Sogar Schulleiter werden rar, wie ich letztens las. ITler sind auch seit einiger Zeit ein rares Gut. Und Handwerker sind wie der Goldtopf am Ende des Regenbogens. Es werden also mehr. Mehr Möglichkeiten. Aber auch mehr Fachkräfte, die uns fehlen.
Was mir auch auffällt ist, dass im Zusammenhang mit Fachkräften oft geschrieben wird: wer will diesen Job denn machen? Dies und das ist schlecht, es gibt zu wenige Mitarbeiter, zu wenig Geld usw. Ich glaube das in einigen Fällen nicht. Denn, wenn bestimmte Berufsgruppen unzufrieden sind, liegt es nicht immer nur an den Rahmenbedingungen, sondern einfach an der Tatsache, dass z.B. in einer Abteilung einfach viel zu wenige Menschen sind, auf deren Schultern man die Aufgaben fair verteilen kann. Und wenn jemand damit wirbt, dass ein Mitarbeiter fehlt, dann fehlt er nicht nur dem AG, sondern vor allem seinen zukünftigen Kollegen, denen es ebenfalls am Herzen liegt, ihren Job gemeinsam so zu gestalten, dass niemand sagen muss: ich schaffe das nicht. Man ist nur gemeinsam stark. Das ist in vielen Bereichen so. Es geht vor allem um Menschlichkeit im Miteinander. Um den persönlichen Austausch und die Wertschätzung.
Darum hilft in meinen Augen auch keine Prämie. Wenn wir daran denken, dass Geld allein nicht glücklich macht und wir uns vor Augen führen, dass es viele Menschen gibt, die ihren Job wirklich gern machen und auch gern zur Arbeit gehen (so wie ich z.B. :-)) dann geht es nicht zwangsläufig um Geld, sondern vor allem darum, das zu tun, was ich mir vorstelle, dort zu unterstützen, wo ich es gut kann und wo ich mich gern einbringe. Erziehen wir uns sonst eine Generation der Jobhopper? Was macht diese neue Gruppe von Menschen dann aus? Ich lasse die Frage mal offen stehen.
Recruiting Roulette
Allmählich ist alles ein bißchen ein Glücksspiel, aber wir können immer noch selbst setzen. Wir können uns austoben in den unzähligen Möglichkeiten, um für uns zu entdecken, was gut funktioniert, aber vor allem auch, was nicht. Aber jeder kann dort beginnen, wo es nötig ist und muss nicht auf jeden Zug aufspringen. Sollte es noch Recruiter geben, die den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen: fangt klein an. Ändert bspw. eure Ausschreibungen. Nutzt dafür gemeinsame interne Workshops mit den Fachbereichen und seid euch gemeinsam klar, wer ihr seid und was und wen ihr für euer Team braucht. Vergleiche mit anderen sind nicht nötig – es sei denn, um sich inspirieren zu lassen. Aber wirklich jeder AG ist absolut anders, denn in jedem Unternehmen arbeiten andere Menschen. Und dann Schritt für Schritt und nichts übers Knie brechen. Einige Dinge brauchen eben Zeit, auch wenn das heute viele aufgrund der immer währenden Erreichbarkeit verlernt haben und gerade das Thema Zeit im Recruiting manchmal kritisch sein kann. Letztendlich geht es immer um eine gute Vorbereitung und je früher man mit kleinen Weichenstellungen beginnt und probiert, wird es irgendwann ein Gefüge geben, dass man gut bedienen kann und zu den Recruitinganforderungen jeden einzelnen Unternehmen passt. Aber das ganz individuell – ohne panisch auf jeder Social Media Seite ein Profil anzulegen. Denn dann kann es bald durch Überforderung in Bezug auf die Bespielung der Kanäle heißen: nichts geht mehr!
P.S. Dieser Text ist für alle und spricht alle an (m/w/d).