Warum Unternehmen in HR nicht auf Quereinsteiger setzen

Worum geht es hier im Blog

Überall fehlen Sie. In der Schule. In der Pflege. Im Büro. Mitarbeiter, Kollegen, Fachkräfte. Will ja auch keiner arbeiten. Wir leben schließlich in einer Zeit mit 100% Erwerbstätigen und alle sind glücklich. Nope.

Händeringend versuchen die HR-Abteilungen Deutschlands, sich das beste Arbeitgeberimage zu basteln und nach außen mit Benefits um sich zu schlagen, um ihre Zielgruppe wirklich zu erreichen – die Bewerber ergo neue Mitarbeiter, die in Vision und Umgebung passen. Ja, passen muss er. Leider zu 100%. Im CV fehlt das Wort „BWL Studium“ oder Teamleiter – ätsch, hast du Pech gehabt. Passt ja leider nicht. Also nochmal in eine Ausschreibung über sechs Monate investieren.

(Dies kann man auch getrost auf andere Lebensbereiche übertragen: Unter diesem Motto wird es auch nie möglich sein, den Traumpartner finden, by the way!)

Dabei gibt es viele motivierte und aufgeweckte Menschen, die zu gern einmal in eine andere Abteilung schnuppern oder in eine Branche wechseln möchten, um neue Erfahrungen zu sammeln oder eben mal über den gewohnten Tellerrand zu schauen. Und nicht nur das: um sich zu beweisen, zu wachsen, zu lernen und voranzutreiben. So viele Menschen sind allein aufgrund der Digitalisierung multi-talentiert: schreiben nebenbei Bücher, Blogs, rufen Netzwerke ins Leben, programmieren in ihrer Freizeit Apps usw. 

Der Quereinsteiger als Potentialträger?

Aber meist werden Quereinsteiger als Potentialträger im Unternehmen nicht berücksichtigt. Auf den Karriereseiten der Unternehmen, sprich die Suchenden, findet man meist die Kategorien Auszubildende, Berufseinsteiger, Professionals oder Berufserfahrene. Was sie hier aber oft nicht entdecken, ist die Sparte „Quereinsteiger“. Wo ordne ich mich denn also dort ein, fragt sich derjenige. 

Es scheint als hätten viele das Potential dieser Gruppe bis dato nicht erkannt. Dabei können Quereinsteiger in einigen Positionen und Abteilungen genau die Fähigkeiten mitbringen, die ihnen fehlen. Sie können sogar durch Diversität im Team dazu beitragen, dass durch die unterschiedliche Zusammenstellung von Erfahrungen und Fähigkeiten ein erfolgreiches Arbeiten ermöglicht wird – eben, weil man sich ergänzt.

Leider weiß ein motivierter Quereinsteiger, der die Absicht hat, zu wechseln oder sich weiterzuentwickeln, auch nicht, an wen er sich wenden kann.

Beim Stöbern durch die vorhandenen Ausschreibungen, ist man gezwungen herauszufiltern, welche Position inhaltlich passen würde, wenn manche der Schlagwörter unter „wir suchen“ in etwa dazu passen, was der potentielle Bewerber kann oder sogar auch könnte, wenn erfolgreich Analogien geschaffen werden, welche persönliche und berufliche Erfolge derjenige zu verbuchen hat. In diese Verlegenheit kommt der ungeliebte Potentialträger allerdings auch erst, wenn dieser unter den unzähligen, unkonkreten Positionen eine Ausschreibung findet, die darauf hinweisen könnte, dass der Inhalt eventuell zur Person passt. Denn was mag ein Projektmanager denn tun? Wie wäre es, wenn hier HR bereits angibt „Projektmanager Online Marketing“? Ist leider auch nicht immer gleich so formuliert.

„Personalmanagement der Zukunft“

Auf der anderen Seite der Medaille streuen die Medien fleißig Salz in die Wunde und weisen darauf hin, dass es in den nächsten Jahren aufgrund der Digitalisierung viele (traditionelle) Berufe gar nicht mehr geben wird. Was aber wohl nicht dazu führt, dass das „Personalmanagement der Zukunft“ aufgrund dieser drohenden Notlage neue Wege einschlägt, um qualifiziertes Personal zu finden und zu binden. Dafür gibt es aber immer mehr Ausschreibungen, die bspw. in einer Person einen Social Media-, einen Content – sowie einen PR Manager suchen und damit verlangt, dass jeder von allem ein bißchen kann oder mitbringt. Und dennoch scheint hier niemand an einen qualifizierten Quereinsteiger zu denken. Denkt doch mal um – denkt quer! Auch das führt ans Ziel, das Leben ist kein Ponyhof und schon gar keine Einbahnstraße.

Sicher, die Digitalisierung ermöglicht einiges, aber keine Transformation oder Revolution kam bis dato ohne disruptive Energien aus, die uns teilweise dazu trieb, alte Zöpfe abzuschneiden.

Denn gerade der Quereinsteiger ist für die Berufe im Rahmen der Digitalisierung meist genau der Richtige, der über den Tellerrand schaut.

Es ist ja schön, dass es heutzutage durch die Digitalisierung unzählige Netzwerke und Kontaktmöglichkeiten gibt, wie bspw. Business Netzwerke oder Social Media. Aber geht ein Recruiter auf die Suche und hangelt sich am Begriff „Projektmanager“ entlang, wobei dieser vielleicht im CV eines potentiellen Bewerbers nicht auftaucht, fällt er durch das Raster. Dabei kann bspw. jemand, der jahrelang in einer Agentur Kunden bei der Personalgewinnung beraten hat, doch auch ein guter HRler werden. Oder jemand, der jahrelang im öffentlichen Dienst strukturiert und nach strikten Prozessen gearbeitet hat, das Prozessmanagement in einem Startup optimieren. Oder ein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter, dessen Aufgabe es war, zu recherchieren, zu forschen und schriftlich zusammenzufassen, passt doch super ins Wissensmanagement? 

Ist Quereinstieg ein Stigma? Sind diese Menschen gezwungen sich beim Unternehmen vorab zu erkundigen, ob sie als Quereinsteiger Chancen haben oder erreichen sie die Person am anderen Ende gleich voller Vorurteile mit hochgezogener Augenbraue und der Einstellung: „Schicken Sie uns ruhig was zu, wir gucken eh nicht genau hin und sagen Ihnen freundlich ab, da ihre CV Parameter nicht zu 100% in unser Bla-Bla-Raster fallen.“ Mangel hin oder her. 

Beziehungskultur im Personalmanagement

Hier muss eine neue Beziehungskultur ansetzen. Diese Menschen wollen etwas wagen und sie tun es nicht aus einer Laune heraus oder weil ihnen langweilig ist, sondern sie haben sich bewusst entschieden, etwas zu ändern. Und dafür brauchen sie die Hilfe von HR und auch willkommen heißende Angebote. Und hier sind alle Personaler gefragt!

Die Personalszene muss sich einen Ruck geben und neues mit offenen Armen empfangen. Es sind kleine Schritte, die hier notwendig sind, um das Angebot für neue Potentiale zu öffnen:

  • Angebot: Richten Sie sich auf ihrer Karriereseite direkt an Quereinsteiger mit einem expliziten Angebot
  • Chancen: Weisen sie in ihrer Ausschreibung darauf hin, dass Quereinsteiger erwünscht sind
  • Qualifizierung: Ermöglichen Sie Quereinsteigern Weiterbildung, die das Profil für die Stelle abrunden
  • Integration: Lassen sie Teams voneinander lernen – jeder hat Stärken und Schwächen

Am Ende sollte es nämlich heißen: ich bin Quereinsteiger und ich bin stolz drauf! Aktuell ist das Phänomen noch, dass man kaum Menschen findet, die dies berichten können und damit konfrontiert werden: „Was? Du hast doch jahrelang so eine tolle Arbeit gemacht, wieso wirfst du das weg?“ Tun sie ja nicht, sie entwickeln sich weiter und jeder soll das tun, was das Herz begehrt. Aber heißen Sie, HR, diese erstmal willkommen.

Dieser Artikel erschien bereits im HR life Magazin am 14.03.2019 – Abo und Bestellung unter www.hr-life.de

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