Als ich das erste Mal vor dem Krankenhaus stand mit dem Helikopter auf dem Dach, erfüllte sich meine Brust mit Stolz: „Wow, ich würde ich vielleicht arbeiten können.“ Von jeher haben mich Krankenhäuser und die Menschen, die hier arbeiten fasziniert. Der Aufenthalt flößte mir nie Unbehagen ein, auch, wenn ich selbst nie Patient war. Als Teenager schon absolvierte ich mein erstes Praktikum in der Inneren Station und diese Erfahrung erfüllte mich mit Sinn und Verbundenheit. Dies war nun allerdings schon fast 20 Jahre her und nun stand ich hier und hatte die Gelegenheit, endlich wieder in die Branche einzusteigen, die mich seit Jahren faszinierte. Entgegen meiner Annahme ich würde sehr konservativen Personen im Gespräch gegenübersitzen, war der Austausch unheimlich angenehm. Das lag nicht nur an den sympathischen und offen sowie interessierten Gesprächspartnern, sondern vor allem an meiner inneren Haltung und der unglaublichen Begeisterung bei dem Gedanken daran, in dieser Branche arbeiten zu dürfen. Auf beiden Seiten war deutlich zu erkennen, dass wir gemeinsam etwas neues gestalten wollen.
Letztendlich arbeiten hier die Menschen, die dafür sorgen, dass uns das höchste Gut widerfährt: Gesundheit. Und all den schlechten Nachrichten aus ganz Deutschland zum Trotz, dass bspw. der Pflegeberuf schlecht bezahlt wäre und man hier kein Personal mehr finden könnte, was bleibt, möchte ich genau hier ansetzen und dabei unterstützen, die Berufe im Krankenhaus wieder attraktiver zu machen und als das darzustellen, was sie sind: lebenswichtige, sinnhafte Tätigkeiten, ausgeführt von einzigartigen Menschen, die ihren Job anderen und ihrer Gesundheit widmen.
Recruiting und Gesundheitswesen im Wandel
Dass sich das Gesundheitswesen in den letzten Jahren einem langsamen Wandel unterzieht, ist an einigen Stellen durch den Austausch mit anderen Recruitern deutlich merklich. Da sich aber auch das Recruiting einem stetigen Wandel unterzieht und gerade im Gesundheitswesen erst Einzug in die Personalabteilungen erhält, scheint doch eine günstige Fügung zu sein. So können beide voneinander lernen. So hört man immer wieder davon, dass es früher nicht notwendig war, bestimmte Stellen auszuschreiben, da die Arbeit im Krankenhaus stets attraktiv war. Es war nicht notwendig, aufwendige Außenkommunikation zu betreiben, um auf die Attraktivität des Krankenhauses als Arbeitgeber hinzuweisen. Postalische Bewerbungen konnten getrost in der Schublade aufbewahrt und bei Bedarf gesichtet werden. Außerdem funktionierten die internen Strukturen auf Basis der Vergangenheit sehr gut, bis zu dem Zeitpunkt, als plötzlich alles digitalisiert werden sollte – vor allem in Bezug auf die Prozesse. Hinzu kam, dass durch die Digitalisierung die postalische Bewerbung den Sprint verlor und es galt, Online-Bewerbungsprozesse zu implementieren und zu etablieren. An diesem Punkt setzt auch der Gedanke an, dass gerade im Recruiting „frischer Wind“ benötigt wird da sich die Anforderungen an diesen Beruf merklich geändert haben und hier oft ganz neue Charaktere benötigt werden, die sich der Herausforderung annehmen, auf Grundlage des neuen Arbeitsmarktes und der Angebote unzähliger digitaler Tools das Bewerbungsprozedere neu zu erfinden, um weiterhin erfolgreich zu sein.
Dieser Dschungel an Angeboten und Möglichkeiten erweckt oft den Anschein, als müsste man plötzlich alles machen. Alle müssen jetzt Social Media machen. Recruiting Analytics müssen jetzt aber auch sein. Und bitte Arbeitgebervideos drehen und mit Influencern arbeiten. Ach ja, und dann bitte auch auf Anschreiben verzichten und innerhalb von 10 Minuten Interessenten antworten. Fakt ist, dass jeder Arbeitgeber für sich selbst entscheiden sollte: was passt wirklich zu mir?
Der Zeitfaktor
Aber, was dennoch ein wichtiger Faktor dabei ist, ist Zeit.
Zeit, sich damit auseinander zu setzen, was als Basis schon vorhanden ist und worauf man aufbauen kann.
Zeit, sich mit den Menschen im Unternehmen zu beschäftigen und unterhalten, die hier seit vielen Jahren arbeiten – in jeder Berufsgruppe.
Zeit, sich mit Menschen auszutauschen aus dem Netzwerk, die sich ebenfalls mit den Angeboten beschäftigen und mit den Anbietern und Dienstleistern.
Zeit ist der wesentliche Faktor im Kulturwandel des Gesundheitswesens und bei der Verbesserung des Recruitings.
Personalmarketing und Recruiting vor allem im Gesundheitswesen sind zwei Bereiche, die nicht ohne einander können und dennoch in den letzten Jahren oft gar nicht existierten. Demnach geht es hier um die Neubestellung eines Feldes, das nicht Früchte tragen wird, wenn man sich an „einfach mal machen“ hält ohne zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Zumal „einfach mal machen“ oft auch gar nicht möglich ist aufgrund vorhandener Strukturen. Es soll vor allem ein Mehrwert geschaffen werden, der argumentiert und dargestellt werden kann anhand eines schlüssigen und passenden Konzeptes, denn jedes Krankenhaus ist auf seine Weise einzigartig. Wenn man sich diesen Fakt aber bewusst macht, gibt es eine Menge zu erreichen und zu schaffen. Manche Dinge benötigen Zeit und „perfekt“ – das gibt es nicht.
Deutlich wird vor allem in den Sozialen Medien und im HR Netzwerk Deutschlands, dass immer mehr pragmatische Menschen die Positionen für Personalmarketing und Recruiting im Gesundheitswesen bekleiden und neue Wege gehen, um Ihrer Leidenschaft Ausdruck zu verleihen. Sie twittern, teilen ihre Erfahrungen auf Linkedin, geben Interviews, schreiben Blogartikel oder sitzen in HR Jurys u.v.m.
Letztendlich zahlt dies auch unbedingt auf die Reputation des Krankenhauses ein da der Recruiter hier deutlich sichtbar und positiv als Markenbotschafter fungiert. Quasi der notwendige Influencer. Ohne extra Kosten. Ein erster deutlich sichtbarer Schritt im Kulturwandel des Gesundheitswesens am Beispiel des Recruitings.
Außerdem tauscht man sich untereinander aus und teilt Erfahrungen miteinander. Die Recruiter der Krankenhäuser sind über die Grenzen hinaus deutschlandweit sehr gut miteinander vernetzt.
Recruiting im Krankenhaus – Beruf oder Berufung?
Ich empfinde diesen Beruf in der Gesundheitsbranche als eine der besten Aufgaben, die ich in meinem Lebenslauf aufnehmen und erleben darf. Der Beruf ist unglaublich vielfältig, mittlerweile. Mich interessiert als Recruiter nicht nur eine Seite. Wenn ich jemanden rekrutieren soll, muss ich mich mit weit mehr auseinandersetzen als eine verständliche Stellenausschreibung zu formulieren. Auch der direkte Austausch mit dem Fachbereich ist heutzutage eine unbestreitbare Konstante für erfolgreiches Recruiting. Außerdem will ich mehr – vor allem verstehen. Ich schaue mir so gut es geht alle Bereiche genau an, um die Bedarfe und Strukturen sowie die Tätigkeitsfelder genau zu verstehen. Durch Hospitationen auf Stationen tauche ich bspw. ein in den Beruf des Pflegers, damit ich den Bewerbern sicher kein Luftschloss verkaufe, wenn ich nicht weiß, wovon in einem Vorstellungsgespräch bspw. auf fachlicher Ebene gesprochen wird. Und doch kann ich letztendlich nicht alles wissen, aber ich kann stetig daran arbeiten, es besser zu verstehen.
Wir Recruiter setzen uns dabei mit unglaublich vielen Bausteinen auseinander und haben oft das große Glück, dass wir diese Gelegenheiten geboten bekommen. Die Digitalisierung kam auch nicht über Nacht und wir nähern uns immer mehr einem noch mehr menschorientierten Recruiting im Gesundheitswesen an. Unter Berücksichtigung der zahlreichen Veränderungen und unter Einbeziehung der zahlreichen Variablen. Nicht mehr nur die Ausschreibung im Ärzteblatt. Nicht mehr nur die Onlinestellenanzeige auf der eigenen Website. Das können wir aber nur gemeinsam und hier wächst mehr und mehr das wichtigste Netzwerk für unsere Tätigkeit. Das zwischen den Kolleginnen und Kollegen – egal, ob aus der Verwaltung oder dem Krankenhaus. Das Netzwerk zwischen den Recruitern unterschiedlicher Krankenhäuser. Das Netzwerk in der HR Branche, die nun den Fokus auf das Recruiting auch im Gesundheitswesen legt.
Ich werde oft nicht fertig mit meiner Arbeit im Kopf, weil mir tausend Ideen herumschwirren, die ich umsetzen will. Ich denke oft nach der Arbeit weiter nach über Begegnungen, Gespräche und Ideen, die ich hatte, um herauszufinden, wie wir diese integrieren und umsetzen können. Vor allem, wie wir die Kommunikation und den Informationsfluss verbessern – nach innen, nach außen, zu den unzähligen Zielgruppen, die wichtig sind. Ob Schüler, Patienten, Besucher, Mitarbeitende, zukünftige Mitarbeitende oder…
Aber eines weiß ich. Ich gehöre hier hin und kann jeden Tag den Kulturwandel im Gesundheitswesen begleiten.
Der Artikel entstand im Zuge der Blogparade „Kulturwandel im Krankenhaus“ von @Zukunftsherz.