Vor einigen Wochen hatte ich große Pläne. Ich wurde auf eine tolle HR Veranstaltung als Sprecherin eingeladen und befasste mich mit dem Begriff „Recruiting“ und den Menschen dahinter, die für Unternehmen das „richtige Personal“ finden wollen. Dazu kam, dass diese Person mittlerweile sehr viele Skills an den Tag legen sollte, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden. Seien es digitale, kommunikative oder technische Skills. Ich beschäftigte mich damit, wie die aktuellen Stellenausschreibungen für Recruiter, Personalmanager oder People Manager aussahen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was von heutzutage von einem Personaler erwartet wird. Denn tatsächlich ist es doch so: gerade hier wird ein großer Blumenstrauß an Fähigkeiten gesucht, die meist ein Einzelner nicht bündeln kann und gleichzeitig wurde klar, dass die digitalen Kompetenzen heute unglaublich ausgeprägt sein sollten, wenn es bspw. um Social Recruiting, Personalmarketing oder digitales Bewerbermanagement geht. Bei der Recherche wurde schnell klar: viele sind noch gar nicht soweit. Weder die Unternehmen, die suchen, noch die Personaler, die seit vielen Jahren nicht die Möglichkeit hatten, mit digitalen Tools ihre Arbeit zu verbessern, zu unterstützen oder Prozesse gar neu aufzusetzen.
Ich selbst stellte fest, dass es heutzutage aber doch gut ist, wenn man verschiedene Kompetenzen mitbringt und einen Mosaiklebenslauf vorweisen kann, um den Anforderungen der von mir analysierten Stellenausschreibungen gerecht zu werden. Quereinsteiger haben hier eigentlich gute Chancen. Gleichzeitig kam mir der Gedanke, dass innerhalb der Unternehmen mehr Schnittstellen geschaffen werden müssen, um gute Personalarbeit und ein gutes Recruiting technisch zu unterstützen und umzusetzen.
Und dann kam Corona
Und plötzlich wird alles auf den Kopf gestellt und durch die aktuelle Krise stellen sich viele Personaler noch viel mehr Fragen als nur die der hohen Anforderungen. Für viele Unternehmen mag es in den letzten Jahren ein wichtiger Schritt gewesen sein, eine gute Candidate Journey zu gewährleisten und den Bewerbern in regelmäßigen Abständen ein passendes Feedback zu übermitteln. Hinzu kommt, dass natürlich noch nicht alle mit einem Bewerbermanagementsystem arbeiten, das passgenau den Bedarf der einzelnen Unternehmen abdeckt. Das liegt natürlich auch an fehlender Information oder Beratung, denn diese Systeme müssen teilweise sehr individuell sein. Viele Bewerbungsgespräche werden heutzutage persönlich geführt und für einige Unternehmen ist auch dies schon ein großer Meilenstein, wenn Personal und Fachbereich gleichzeitig an diesen Gesprächen teilnehmen und man sich danach fachlich austauscht, um eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.
Digital ist besser?
Und nun? Nun fängt es doch schon bei Nuancen an in diesen unsicheren Zeiten. Wahrscheinlich werden sich einige Recruiter fragen, wie sie in diesen Zeiten „Erfolg“ des Recruiting noch messen können, wenn gleichzeitig davor gewarnt wird, mit Personen Kontakt unterhalb von 2 Metern zu haben. Auch bei den Bewerbern löst die aktuelle Situation Unsicherheit aus. Auf beiden Seiten gibt es ein Angebot und eine Nachfrage, aber wie kann dies in Krisenzeiten krisenfest gehandhabt werden? Einige Unternehmen kommen zur Zeit nicht umhin, entweder Kündigungen auszusprechen, einen Einstellungsstopp zu veranlassen oder ihr Recruiting neu zu definieren. Auf der anderen Seite gibt es auch beim Bewerber viele Unsicherheiten, wie z.B. kann ich mich jetzt noch bewerben? Ist mein Job sicher? Kann ich dort hinfahren, um mich vorzustellen? Es wird sicher die Frage gestellt werden: können persönliche Gespräche noch stattfinden? Und für alle, die sagen: „Ist doch kein Problem – macht die doch einfach online!“ wird es einige argwöhnische Blicke mit Personalkollegen geben, bei denen digital eben noch nicht Bestandteil der Unternehmenskultur ist. Nichtsdestotrotz ist es gut und sinnvoll, wenn möglich, den Bewerbern auch ein Vorstellungsgespräch in digitaler Form anzubieten. Wir könnten in diesem Fall auch noch weiterdenken: mal angenommen, jemand bewirb sich und muss den Vertrag unterschreiben. Soll er dafür vorbeikommen (ja, auch nicht jeder arbeitete bereits mit digitalen Unterschriften)? Wie verhält man sich demjenigen gegenüber? Was passiert mit neu eingestellten Mitarbeitern, wenn es eben nicht die Möglichkeit für mobiles Arbeiten oder Home Office gibt? Wer hat sich darüber hinaus einmal die Zeit genommen, seinen Kollegen oder Mitarbeitenden die Arbeit außerhalb des Büros zu erklären und ein FAQ dazu erstellt?
HR hilft HR
Ich war bereits auf der Suche nach Antworten. Aktuell sind einige gute HR Kollegen auf dem Weg für das Recruiting und die Personalarbeit in diesen Zeiten Hilfestellungen anzubieten. Es werden Tipps, Tricks und Tools gesammelt, um mit den aktuellen Umständen umgehen zu können. Wichtig ist dabei aber auch, dass es viele Unternehmen gibt, die bei der Implementierung oder Umsetzung sicher Unterstützung benötigen. Manchmal braucht es einfach Verständnis, Fingerspitzengefühl und Erklärung. Denn auch, wenn der Personaler aktuell die eierlegende Wollmilchsau sein soll, kann er noch längst nicht alles technisch abbilden. Und hinzu kommt noch eines: obwohl gerade die HR Abteilungen oft ein stiefmütterliches Dasein fristeten, sind sie mal wieder – besonders jetzt in der Krise – mehr als gefragt, die Mitarbeiter zu informieren, zu unterstützen und alles zu regeln, um den Arbeitsplatz zu sichern und für alle Fragen zur Verfügung zu stehen, die sich nun ergeben. Und das können viele neue sein. Und wir brauchen viele neue Antworten aufgrund der disruptiven Kraft des Virus auf unser System.
Zur Zeit gab es besonders viele Diskussionen zum Thema Home Office, mobiles Arbeiten und der Umsetzung dieser Möglichkeiten. Es gibt aber weit mehr zu überdenken und Regelwerke oder Tipps für alle Aufgaben im Personal zu erstellen, die in diesen herausfordernden Zeiten die Arbeit strukturieren und unterstützen. Um Unsicherheiten auf Seiten der Personaler und auch der Bewerber entgegenzutreten. Bis jetzt habe ich noch keinen Recruiting Guide zu Zeiten von Corona entdeckt, aber ich überlege, diesen zu erstellen. Vielleicht gibt es aber einige Kollegen, die diesen Artikel lesen und ihre Ideen dazu teilen.
Eines ist klar: wir werden alle einen anderen Blick auf die Dinge, wie wir sie kennen, erhalten und es wird notwendiger, über alternative Arbeitsmodelle nachzudenken und auch die Personalabteilungen digitaler besser zu unterstützen. Ich würde mir hier einen kollegialen Austausch wünschen, unternehmens- und fachbereichsübergreifend. Aber es geht nicht nur ums Sprechen darüber, es geht ums Umsetzen. Wir können voneinander lernen und gemeinsam wachsen, um gerüstet zu sein für die Zukunft.
Was HR gerade tut
Dieser Artikel entstand heute nach dem Aufruf von Stefan Scheller, der Blogparade #HRvsCoronaKrise einen Beitrag beizusteuern. Dazu möchte ich noch die folgenden Empfehlungen geben, was sich in den letzten Wochen im Netzwerk noch so entwickelt hat:
Das Homeoffice Radio von Leonid Lezner widmet sich am Montag, 23. März 2020 um 21 Uhr dem Thema „Digitalisierung & Home Office im Gesundheitswesen“ (moderiert von der bezaubernden Katharina Nolden).
Wolfgang Brickwedde macht gerade einen Umfrage zu „Recruiting in Zeiten von Corona“.
Außerdem möchte ich noch den Jan Hawliczek von diegruene3 empfehlen, der nächste Woche Online-Live bzw. Remote Sessions (beim Klick gelangt ihr zu dem Slack Workaround) im Bereich Social Recruiting & Sourcing anbietet.
Ich sammle zusammen mit Oliver Ewinger und Katharina Nolden gute Nachrichten und Bsp. der Solidarität in Zeiten wie diesen unter unserem Twitterkanal @CoroNarrative.
Es handelt sich hierbei nicht um Werbung, sondern ich empfehle nur Dinge, die mir in den letzten Tagen aufgefallen sind und die ich jedem ans Herz lege, der für jeden der Bereiche Unterstützung oder einen Austausch sucht.
Achtet darauf, dass einige Links nur für eine bestimmte Zeit gelten werden.